Sauerteig

Oktober 3, 2020 by

Jetzt bin auch ich ins Sauerteig-Geschäft gerutscht. Es passt auch irgendwie in diese Homeoffice-Phase. Ein Gleitschirm-Freund von Google hat mir etwas von seinem abgegeben und damit haben wir wunderbare Brote gebacken. Ich habe vom Sauerteig wiederum etwas weiter gegeben und hier ist die (minim aufdatierte) Anleitung, die ich dazu geschrieben habe.

Sauerteig

Mutter, Vorteig und Teig sind alles Sauerteige und durchlaufen alle den selben Lebenzyklus. In diesem Zyklus sind drei Vorgänge wichtig:

  1. Gluten und Wasser müssen eine Struktur bilden, die das CO2 der Hefe nicht entweichen lässt, aber genügend elastisch ist, so dass das Brot beim Backen aufgehen kann. Zeit und Kneten helfen, Säure zerstört diese Glutenstruktur.
  2. Fermentation der Stärke durch Hefe macht die CO2-Bläschen. Dieser Prozess stoppt, sobald der Zucker gegessen oder der Teig zu sauer für Hefe ist.
  3. Fermentation von anderen Zuckern durch Bakterien macht den Teig aromatisch (also vor allem sauer) und gibt den Hefen zusätzliches Futter.

In einem Teig entwickelt sich in der Regel die Glutenstruktur zuerst, dann tun die Hefen ihr Ding und zum Schluss die Bakterien; ich stelle mir das so vor:

Ein frisch gefütterter Sauerteig riecht nur nach Mehl. Sobald die Hefe aktiv ist, bilden sich CO2-Blasen und das Volumen verdoppelt sich etwa. Da sich Hefen stark vermehren wenn genügend Nahrung vorhanden ist, beschleunigt sich dieser Prozess und das Volumen wächst am meisten gegen den Schluss. Am Anfang dieser Phase riecht der Teig süsslich, dann zunehmend säuerlich, während die Bakterien übernehmen. Wird der Teig zu sauer, bricht die Glutenstruktur zusammen und das CO2 entweicht. Geht den Hefen die Nahrung aus, beginnt der Teig streng (nach Pinselreiniger irgendwie) zu riechen.

Die drei Prozesse kann man relativ zueinander timen, mit Kneten, dem Wasseranteil, der Mehlzusammensetzung, der Temperatur und der Menge Sauerteig. Zeit, Kneten und Falten bauen die Glutenstruktur auf und machen den Teig elastisch. Wasser macht den Teig ebenfalls elastischer, aber das Gluten schwächer (Ciabatta-Teig ist nur noch ein schwammiger Fladen wegen dem vielen Wasser, so dass er wenig aufgeht) und verlangsamt die Fermentation. Vollkornmehl absorbiert mehr Wasser und macht die Fermentation schneller. Weissmehl hat dafür mehr Gluten. Wassermengen zwischen 60 und 75% vom Mehlgewicht und beim Mehl 50% oder mehr Weissmehl sind ein guter Ausgangspunkt. Hefen gedeihen am besten irgendwo zwischen 24 und 30 Grad, darunter und darüber kommen die Bakterien besser für. Bei 10-20% vom Mehlgewicht Sauerteig haben wir in 12 Stunden einen Teig und in 24 Stunden einen sauren Hund.

Mutter

Die Mutter ist ein Sauerteig ohne Salz, den man füttert statt backt, wenn die Hefen fertig gegessen haben; also wenn sich das Volumen rund verdoppelt hat und der Teig voller Bläschen ist, so dass er schwimmt. Bei der Frage, ob man bereits dann oder erst wenn die Hefen richtig nach Nahrung schreien füttern soll, gehen die Meinungen auseinander. Die meisten füttern ihre Mütter mit gleichen Teilen Wasser und Mehl. Der Sauerteig von meinem Freund lebt gut mit Halbweissmehl; wenn man ihn aber mit Weissmehl füttert, ist er nach zwei Fütterungen unbrauchbar. Bei Raumtemperatur isst ein Sauerteig sein Gewicht an Mehl (1:1:1 Fütterung, also z. B. 10gr Sauerteig, 10gr Mehl und 10gr Wasser) in rund 4-8 Stunden, im Kühlschrank in ein paar Tagen.

Um eine neue Mutter anzusetzen, füttere man am besten Vollkornmehl ein- bis zweimal täglich. Nach ein paar Tagen sollten sich erste Hefen und Bakterien vermehrt haben, was sich im Geruch und mit Bläschen zeigt. Nach einer oder mehr Wochen sollte genug Hefe da sein, um das Volumen des Sauerteigs in ein paar Stunden zu verdoppeln, dann kann man ihn zum Backen verwenden. Je nachdem, welche Bakterien sich durchsetzen kann der Geruch auch zeitweise etwas streng sein oder der Teig den Bach runter gehen …

Vorteig

Man könnte zwar direkt mit der Mutter backen, die meisten Rezepte nehmen aber den Umweg über einen Vorteig, damit die Hefen besonders aktiv seien (insbesondere wenn die Mutter im Kühlschrank lebt). Ausserdem ergibt sich das so, wenn man eine kleine Mutter hält und dann je nach Rezept die entsprechende Menge Vorteig an rührt.

Angenommen die 30gr Sauerteig von oben sind unterdessen schön aktiv, dann könnte man 10gr davon wiederum mit 10gr Mehl und 10gr Wasser füttern und zurück in den Kühlschrank stellen, und aus den restlichen 20gr Sauerteig mit einer oder zwei Fütterungen 60gr Vorteig für ein Brot machen.

Teig

Als Grundrezept nehmen wir jeweils 30-60gr Sauerteig, 300gr (Halb)Weissmehl, 60gr verschiedene Vollkornmehle (Roggen oder Dinkel und alte Dinkelsorten wie Einkorn und Emmer kommen gut), 9gr Salz und 270gr Wasser.

Der Vorteig braucht vielleicht 6-12 Stunden, also z. B. eine Nacht. Wenn es schnell gehen muss, kann man am Morgen einfach alles mischen, den Teig alleine den Tag über aufgeben lassen und abends backen. Wir haben aber auch Brote 24 Stunden fermentieren lassen, die werden halt etwas säurer.

Bis man die Zeiten für eine Mehlmischung, die Temperatur und die gewünschte Säure einigermassen kennt ist es wohl besser, wenn man ab und zu vorbei schauen kann. Man kann den Teig aber jederzeit in den Kühlschrank stellen, wenn etwas dazwischen kommt. Wenn man zuviel Zeit hat, kann man sich mit den optionalen Schritten vertörlen und vielleicht eine noch etwas gleichmässigere oder luftigere Krume erreichen 😉

  1. Optional: Autolyse. Mehl und Wasser eine Stunde vorab mischen, damit die Glutenstruktur einen Vorsprung hat und der Teig bereits etwas weniger klebrig wird. Wenn man aber mit relativ wenig Sauerteig backt und der ganze Prozess mehr als eine, zwei Stunden dauert, entwickelt sich die Glutensturktur eigentlich von alleine.
  2. Aktiven Sauerteig (Mutter oder Vorteig) und Salz mit dem Mehl und Wasser mischen. Löst man den Sauerteig im Wasser auf, verteilen sich die Hefen besser, sie brauchen dafür etwas länger. Allenfalls kneten um den Teig elastischer zu machen.
  3. Optional: Kleine Probe in einem Glas zur Seite stellen, damit man sich jederzeit den Fortschritt anschauen kann. Achtung, die Teigprobe gärt tendenziell langsamer, vielleicht weil Kneten den Hefen neues Futter näher bringt oder weil sich die Wärme weniger halten kann.
  4. Optional: Wenn sich der Teig ausgebreitet hat, kann man ihn jeweils falten um die Glutenstruktur elastischer zu machen. Das Falten mischt den Teig auch, so dass die Hefen besser zu frischer Nahrung kommen. Ist wohl Beschäftigungstherapie, aber gibt ein gutes Gefühl für den Teig: sobald er sich schwammig und schwabbelig anfühlt ist er bereit zum Backen. Ausserdem hält regelmässiges Falten den Teig kompakt, so dass er sich einfacher lösen lässt, ohne dass allzu viel Luft entweicht.
  5. Sobald sich das Volumen des Teigs (oder der Teigprobe) ungefähr verdoppelt hat, wäre der Teig genügend fermentiert zum Backen. Das dauert je nach Temperatur und Anteil Sauerteig 6-12 Stunden. Der Teig sollte immer noch vorallem süsslich riechen, vielleicht leicht säuerlich, und sehr schwabbelig sein. Wenn man ein eher kräftiges (sprich saures) Brot will, muss man warten, bis der Teig sauer riecht. Das kann durchaus weitere 6-12 Stunden dauern. Spätestens wenn die Probe wieder zu fallen beginnt weil mehr CO2 entweicht, als die Hefe produziert, sollte man den Teig aber backen, denn zuviel Säure löst die Glutenstruktur auf und übrig bleibt eine unbackbare Sauce.
  6. Optional: Brot formen. Das Ziel ist eine hohe Spannung an der Oberfläche des Teigs, wobei möglichst wenig CO2 entweichen soll. Wenn man den Teig ein paar Mal gefaltet hat, sollte eine Seite kaum klebrig sein. Diese Seite auf eine leicht bemehlte Arbeitsfläche legen, etwas breit ziehen und die klebrige Seite auf sich selber falten, bis der Teig kugelförmig ist. Auf die klebrige Seite drehen und auf einer Fläche ohne Mehl rumschieben, bis der Teig schön rund ist. Wenn man Musse hat, kann man das auch zweimal in vielleicht 15 Minuten Abstand machen.
  7. Optional: In einem Gärkorb (oder einer Schüssel mit Tuch) nochmal gehen lassen. Das gibt dem Teig Form und erlaub das Volumen von verschiedenen Teigen zu vergleichen. So lernt man, wie luftig das Brot wird. Gut einpudern, damit nichts kleben bleibt, Reismehl ist dafür sehr gut. Ab und zu einen Finger etwas reindrücken, um zu sehen wie es dem Teig geht: Am Anfang springt der Teig sofort zurück. Mit der Zeit entspannt sich die Glutenstruktur und sobald eine kleine Delle bleibt, backen die meisten den Teig. Dies hat bei uns zwischen einer halben und zwei Stunden gedauert. Wartet man viel zu lang bleibt die ganze Delle erhalten und irgendwann ist nur noch eine klebrige Masse übrig, dann ist der Teig übersäuert. Sobald der Teig bereit zum Backen ist die Gärung im Gefrierer verlangsamen, während der Ofen mit dem Topf eine halbe Stunde vorheizt. Alternativ kann man den geformten Teig im Kühlschrank 12 Stunden oder länger gehen lassen. Dann den Teig aus dem Korb stürzen und mit einem scharfen Messer einschneiden.
  8. Teig in vorgeheizten Topf schmeissen und 20 Minuten volle Pulle backen. Der Topf soll die Feuchtigkeit hoch und damit den Teig elastisch halten, damit sich die Bläschen ausdehnen können wenn das CO2 erhitzt wird (oder die Hefen allenfalls noch einen letzten Effort leisten). Dann Deckel entfernen und auf 230 Grad weitere rund 20 Minuten backen, bis einem die Farbe passt. Während nochmals 20 Minuten im ausgeschalteten Ofen bei leicht geöffneter Türe weiter toasten.

Weitere Rezepte

Im Prinzip kann man in den meisten Rezepten Hefe durch Sauerteig ersetzen und umgekehrt. Die Fermentation läuft aber anders ab, darum hier ein (mit der Zeit) weitere Rezepte.

Unser vielleicht ambitioniertestes Ziel ist ein Ersatz für das Neutronenbrot, ein wunderbares, Energie-reiches, dichtes Kastenbrot aus der Bäckerei in unserer Nachbarschaft in Barcelona. Wir verwenden rund 400gr verschiedene Mehle, hauptsächlich Vollkorn, dazu 100gr gemischte Kernen und Samen. 50-100gr sehr junge Sprossen machen sich ebenfalls gut darin. Das mischen wir wiederum mit 350gr Wasser, 10-12gr Salz und 50-60gr Sauerteig. Nach dem Mischen warten wir meist ein wenig, bis sich das Wasser verteilt hat und kneten dann kurz, damit die Hefen gut verteilt sind. Dann geben wir den Teig in eine gut gefettete Kastenform (bis jetzt hat das nur mit Butter wirklich geklappt), denn ab einem gewissen Vollkornanteil lohnt es sich, den Teig nach dem Mischen in einer Form aufgehen zu lassen, ausser man zielt auf einen kompakten Fladen ab. Sobald der Teig deutlich aufgegangen ist, was schon mal 12 Stunden dauern kann, backen wir das Brot rund 40 Minuten, bis es schön dunkel ist. Da die Kastenform den Teig zusammen hält, kann man solche Teige auch viel saurer backen und warten bis der Teig zu fallen beginnt. Falls man das Brot nicht in den nächsten zwei Tagen essen will (ein Neutronenbrot kann gut eine Woche rumstehen) sollte man in der Rechnung haben, dass beim Backen nicht alle Bakterien sterben und das Brot nach dem Backen weiter saurer wird, umso saurer, desto schneller.

Deter-mind and appreciate!

Juni 28, 2020 by

Die nächste Pizza war ebenfalls bemerkenswert: Am Nebentisch standen die Cola-Dosen schon bereit, bevor die beiden Gäste angekommen waren. Einer schick, der andere finster. Die Pizzen kamen ohne Bestellung ziemlich schnell und übertrieben oft hat sich jemand erkundigt ob alles passe … Und nein, es war nicht der Besitzer, der ist oft mit Familie dort.

Item, vor gut eineinhalb Jahren sind wir nach Bern zurück gezogen, ich hatte einfach zuviel Heimweh und Ste zuviel Mühe einen Job nach ihrem Stipendium zu finden. So hat sie es in Bern versucht und da ging plötzlich alles zackig.

Im Frühling vor einem Jahr (ja, das ist wohl ein Quarantänen-Ende-Post) war ich auf der Hochzeit meines neuen Chefs in Polen. Ich habe zwar nicht verstanden, ob sie ja gesagt haben, aber die Braut hat den Priester, einen Schulfreund, gebeten, eine lustige Predigt zu halten, damit sie mehr lachen als weinen muss und das hat er offenbar hingekriegt. Die Feier danach war sehr entspannt: Immer wieder wurden lächerliche Mengen von Essen und noch mehr Trinken aufgetischt, dazu wurde gegessen und getanzt, wie man wollte. Bis in die Morgenstunden und wer ins Bett wollte, musste sich erst eine Viertelstunde vom komplett besoffenen Vater der Braut anhören, dass es doch noch viel zu früh sei und man doch noch etwas bleiben solle. Am Sonntag wieder von vorne, vielleicht etwas später und defensiver und ohne den Vater 😉

Marienbasilika

Ich habe bei der Gelegenheit ein paar Tage in Krakau verbracht. Nette Stadt, gute Brauereien, unvorstellbare Horden von Touristen und Scheisswetter (habe mir den ersten Schirm in meinem Leben gekauft). So habe ich recht viel Zeit in der Herberge verbracht und konnte mir gut überlegen, ob ich Auschwitz wirklich sehen will. Erst als ich realisierte, dass man ohne offizielle Tour kaum rein kommt und viele Touren ausverkauft waren, habe ich das Gefühl gekriegt, dass ich wirklich gehen sollte. Wie zwei Millionen andere jedes Jahr. Entsprechend rau wird man durch den Eingang gelotst. Mini-Taschenmesser, das im Flieger kein Problem ist, musste ich zurück lassen, Jojo durfte ich gerade so behalten, wenn ich es nicht benutzen würde. Wäre despektierlich, wie Selfies, da passen sie gut auf.

Die Führung war unter aller Sau. Gut zwei Stunden wohliges Schauern unter dem Mantra stumme Schreien, Asche und Blut, mit lächerlichen Ausschmückungen. Vor einem Brief auf Deutsch wurde erklärt, dass die Nazis absichtlich Deutsch mit den Juden kommuniziert hätten, weil das die Juden schlecht verstanden hätten — in welcher Sprache hätte man sich denn sonst an die jüdische Gemeinde von Köln wenden sollen? Beim Elektrozaun wurde erklärt, dass man sofort gestorben sei, wenn man näher als zwei Meter gekommen sei — obwohl das Warnschild aus Metal gerade mal einen halben Meter davor stand.

Dabei sind die Fakten alleine erschütternd genug. In Auschwitz wurden bis zu 20’000 Menschen am Tag vernichtet. Das ging nur mit einer straffen Organisation. Eine perfide Pyramide aus Privilegien und Enwürdigungen hat die Insassen dazu gebracht, nicht nur selber für Ordnung zu sorgen, sondern sich auch gegenseitig um zu bringen. Die Hand voll Soldaten mussten sich im Wesentlich nur um das Gas kümmern, den Rest haben Verzweiflung und Rassismus erledigt. Wie bereits bei der Sklaverei

Item, keinen Augenblick musste man sich fragen, auf welcher Seite man selber in dieser Zeit gestanden wäre oder wo man heute steht. Wichtig war in der Führung vorallem, dass Auschwitz das Werk von Monstern war, und zwar von deutschen Monstern. Israelis und Juden hingegen, das kann man als Tourguide in Auschwitz schon mal verwechseln und von Zigeunern sprechen, ohne irgend einen Hinweis auf die Anführungszeichen auf der Gedenktafel, ist auch kein Problem. Auch kein Wort zu den Homosexuellen in Auschwitz. Homosexualität ist nämlich gerade ein schwieriges Thema und gar schuld an dem Pädophilen-Ring den es in der Kirche unter ihrem Papst gab. Der Chef des Instituts für Nationales Gedenken geht sogar soweit, dass er die Auslöschung Polens als Zweck hinter Auschwitz sieht und erwähnt beim Gedenken an Auschwitz Eröffnung nicht einmal mehr die JüdInnen. Vor dem Hintergrund erstaunen die riesigen antisemtischen Graffiti gleich ausserhalb vom Stadtzentrum auch nicht mehr …

Um die Führung mit einer positiven Note ab zu schliessen, hat die Führerin gemeint, sie schätze sich sehr glücklich, diesen Ort besuchen zu können und wir sollten das ebenfalls schätzen 🤔 Darauf erzählte sie von zwei Lokalhelden, denen in Nazi-Uniformen die Flucht durch den Haupteingang gelang: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Deter-mind and appreciate. Das war dermassen absurd, es war unmöglich nicht den Kopf zu schütteln und despektierlich zu gröhlen. Ebenso absurd war die Rückfahrt in einem Bus voller TouristInnen, die aus ihren Rucksäcken gegessen haben, als ob es kein Morgen mehr geben würde … Ich habe an dem Abend nur noch Bier ertragen.

Sachä git’s!

April 2, 2018 by

Wir frieren zwar immer noch mehr als nötig, aber ein Kollege aus Deutschland streicht sich schon Sonnencreme ein zum Arbeiten und wir haben letzte Woche draussen Basketball spielen wollen, weil die Halle wegen Setmana Santa geschlossen war. Auf dem Platz neben dem Büro lief aber gerade ein Streeball-Turnier und als ich die Kollegen im Spass gefragt habe, ob wir mitspielen können, waren wir bereits angemeldet. So bin ich haargenau zwanzig Jahre nach der Adidas Streeball Challenge 1998 wieder in einem Turnier gelandet, nur hätten die Gegner meine Kinder sein können, abgsehen von Länge und Teint und wir haben entsprechend auf den Ranzen gekriegt 😀

Dann waren wir Pizza essen und am Nachbartisch so zwei halbe Portionen, die haben die Karte ja eher lange angeschaut und dann der eine Pizza und der andere Spaghetti Carbonara gekriegt. Dazu bisschen Wasser und Fanta oder so, ich innerlich ziemlich drauf runter geschaut, bis die beide nochmal je eine Pizza gekriegt haben. Einfach so. Völlig beiläufig. Wir haben extra auf Vorspeise verzichtet, dass wir noch eine Nutella-Calzone essen konnten und dieser einfach zwei Pizzas! Ich habe immer noch ein komisches Gefühl wenn ich dran denke, so belustigt und irritiert 🙂

… Und vorhin bin ich in der Kletterhalle runter gefallen, weil ein Griff auseinander gebrochen ist. Der von der Halle musste ziemlich viele Fotos machen, hat er wohl noch nie gesehen. Bin ja schon etwas schwerer geworden, aber soo viel dann auch wieder nicht 😀

Ab morgen noch paar Tage in den Stollen …

… dann paar Tage Skifahren 🙂

Unser Barcelona

März 27, 2018 by

Der Frühling kommt zwar zögerlich, aber er führt uns vor Augen, wie gut das Leben hier eigentlich ist. Hier die Hinweise, die ich normalerweise Gästen schicke — kommet in Scharen 🙂

Tageskarten für Metro und Bus rentieren kaum. Für 10 Euro kriegt man eine 10-Fartenkarte, die man auch teilen kann. Einmal stempeln ist recht lange gültig, auch wenn man von Metro auf Bus umsteigt und das Ticket nochmal durch den Automaten muss wird in der ersten halben Stunde (oder so) nicht nochmal gestempelt. Ausserdem gelten Tageskarten wohl für viele Sachen nicht, wie die Doppelstöcker für Touristen, die angeblich auch ganz gut sind um einen Überblick zu kriegen.

Ansonsten Taschendiebe. Hotelsafe benutzen, in der Metro immer ein bisschen bewegen, in grossen Menschenmengen nicht aufhalten lassen … Und die grossen Attraktionen möglichst im Internet vorab buchen, kostet gleich viel Geld, aber viel weniger Nerven 🙂

Zu sehen gibts sehr vieles, aber ich finde man kann auswählen und muss nicht alles gesehen haben, ausser der Altstadt. Etwas weniger bekannt und trotzdem schön sind die paar Hügel rundum, Montjuic (30min zu Fuss), der Bunker (45min Metro & zu Fuss), Tibidabo (1h ÖV, heruntergekommener Vergnügungspark und furchtbar kitschige Kathedrale drauf) und Montserrat (2h OeV, zum richtig wandern), insbesondere gegen Sonnenuntergang sehr schön. Das Miro-Museeum ist auch ganz nett, nicht zu gross, dafür mit Quecksilber-Springbrunnen.

Ausserdem gibt es unheimlich viel gutes Essen 🙂 Vegetarisch ist nicht ganz einfach, dafür oft auch gleich vegan. Hier ein paar Favoriten: Bitacora und Stoke Bar für bisschen Tapas wie hier üblich; Palo Cortao für dasselbe etwas gehobener und andalusisch angehaucht; La Mundana ebenfalls, aber etwas mehr vom Grill; Terra d’Escudella oder Senyor Parellada für katalanisch; O Meu Lar für Fleisch oder Fisch, gallizisch; La Paradeta fuer Meeresungeziefer; Mano Rota für gediegen (gutes Dutzend Gänge).

Und wenn Tapas zu viel werden gibt es auch eine grosse Auswahl an internationalen Restaurants. Barcelona ist die Stadt mit den meisten ItalienerInnen ausserhalb Italiens, entsprechend fein ist Pizza hier (Napoletani DOC ist wohl das Beste, fritierte Calzone probieren und Nutella-Calzone nicht vergessen; NAP hat auch viele AnhängerInnen und ist super schnell). Für japanisch Luri, chinesisch Dream Cafe, persisch Rincon Persa. De Paula hat die besten Burger, Makamaka auch ganz anständige (falls man über fürchterliches Bier und Wein wegsehen kann), Bro Burger und Bacoa auch. Cat Bar hat super Bier und vegane Burger. Bombay Spicey ist ein guter Inder und Magraner Boig ein guter Grieche. Taqueria für mexikanisch und Tabo für chilenisch.

Cerveceria Jazz ist unsere Lieblingsbar, gemütlich und gutes Bier. Sor Rita ist die Lustigste, hat viele lustige Fotos an der Wand und kaputte Barbies. Auch lustig ist Nevermind, mit einem Pool für Skater. Oder Absenta, mit einer grünen Fee an der Decke. Stoke Bar, Teatre Antic (draussen) und Tinta Roja sind ruhiger. Die einzige Weinbar die wir gekannt haben hat leider Besitzer gewechselt und ist nun furchtbar.

Narcopisos

Februar 4, 2018 by

Die Ruhe war von kurzer Dauer, denn die Wahlen haben die Lage nicht geklärt, im Gegenteil. Die Separatisten haben zwar mit 47.5% der Stimmen ein Prozent oder so eingebüsst, aber im Prinzip trotzdem eine Mehrheit im Parlament. Im Prinzip, weil man sich im Parlament nur in gewissen Situationen vertreten lassen darf, zum Beispiel wenn man in Untersuchungshaft sitzt, aber nicht wenn man in Brüssel „im Exil“ ist. Wahrscheinlich würde aber auch eine einfache Mehrheit reichen um den „Präsidenten“, wie sie Puigdemont immer noch nennen, wieder zu installieren, denn die Unionisten sind wohl noch ein bisschen mehr verkracht, als die Separatisten. Im Moment haben sie die Wahl aber ausgesetzt und der neuste Schildbürgerstreich ist zwei Regierungen zu bilden, eine legitime in Brüssel und eine legale hier.

Aber eigentlich wollte ich über Wohnungsnot schreiben, denn die treibt hier besonders absurde Blüten: Narcopisos. Das sind Wohnungen, die Immobilienhaie Dealern zur Zwischennutzung vermieten, bis die letzten hartnäckigen Mieter aus den 70er vertrieben sind. Dann pinseln die Haie den leeren Block neu an und vermieten die Wohnungen für ein Vielfaches. Unterdessen stellen die Dealer einen riesigen schwarzen Türsteher davor und sehen zu, dass geputzt wird, wenn sich jemand übergibt und dass die Körper unter einer Strassenlampe abgeladen werden, wenn sich jemand übernimmt. Sie kriegen das Heroin angeblich aus der beachtlichen pakistanischen Diaspora, die insbesondere während Schulferien zuviel Verkehr für rigorose Kontrollen verursacht. In Pakistan gibt es Heroin günstig, weil Schlafmohn im Machtvakuum das die Amerikaner in Afgahnistan zurück gelassen haben gut wächst. Die Konsumenten seien Touristen und Schnorrer, die wissen in welchen Eckladen sie ihre Münzen Noten umtauschen können, denn die Dealer nehmen nur Noten. Ein Schuss koste zehn Euro.

Für den Kontext, wir bezahlen hier rund 850 Euro für eine „warme“ Wohnung, in Bern waren es 1100 Franken für eine Warme. Beide Wohnküche + Schlafzimmer, wenig charmanter Mittelaltbau, auch schwierige Nachbarn, relativ zentral gelegen. Jetzt verdienen wir zusammen knapp 5000 Euro nach Steuern und Krankenkasse, in Bern waren es wohl knapp 9000 Franken vor Steuern und Krankenkasse. In der Schweiz war das aber anderthalb Medianlöhne, hier sind es vier oder fünf! Wenn man nun einen guten Arbeitsvertrag (unsere Postdocs würden nicht reichen) und die 20-40% vom Kaufpreis auf der hohen Kante hat, wird es günstiger: Freunde ein paar Blöcke weiter haben Wohnküche + drei Zimmer + Terrasse und bezahlen für die Hypothek 550 Euro 🙂 Abgesehen vom Wohnen ist das Leben hier schon deutlich günstiger; ein Abendessen mit zwei Pizzen und vier Bier kostet vielleicht 25 Euro und der Preis für die Zehnfahrtenkarte für die Metro wurde erst gerade auf 10 Euro angehoben.

Was man gegen Narcopisos oder für Süchtige tun sollte, weiss ich auch nicht; aber bei der Wohnungsnot könnte Deprivatisierung helfen, in Basel, in Leipzig …

… und auch hier übernimmt ein Syndikat Hypotheken:

Propaganda

Oktober 30, 2017 by

Inspiriert duch einen Artikel hier einen Vorgeschmack der medialien Diät, die uns so vorgesetzt wurde. Wüste Sachen, seid gewarnt!

Die Separatisten:

Das öffentlich-rechtliche katalanische Fernsehen (die Schauspielerin imitiert spanische Vizepräsidentin, die unterdessen Katalonien regiert):

Die Unionisten:

Wer hat’s erfunden?

Hier noch ein paar persönliche Eindrücke, damit es nicht zu objektiv wird hier:

Nachwuchs

Unterdrückung

Don't flag with my life

Geschichten aus einem Heisenland

Oktober 8, 2017 by

Katalonien war nie unabhängig, aber der Traum ist alt und mehrmals wurde eine Katalanische Republik ausgerufen. Geschichte wurde zur Legende, Legende zum Mythos und 86 Jahre lang wusste niemand mehr um den Nationalismus bis er sich eines Tages einen neuen Träger suchte (ja, da ist aus Herr der Ringe 😉 Bis jetzt hat mich das pure Böse in der Geschichte nicht interessiert — aber jetzt kommen mir immer wieder Zeilen in den Sinn: One Ring to rule them all, One Ring to find them, One Ring to bring them all and in the darkness bind them). Eigentlich wollte ich ein Text schreiben, der nur so von Hass trieft, aber der Teil steht auch in den Zeitungen, darum ein paar Geschichten 🙂

Ein Freund, dem man durchaus ansieht, dass er von Mexiko oder so ist, musste sich von einem demonstrierenden Katalanen voller Stolz erzählen lassen, dass es ihre Unabhängigkeitsbestrebungen in der internationalen Presse noch vor das furchtbare Erdbeben in Mexiko geschafft haben.

Beide meine Freunde hier aus dem Balkan können kaum schlafen. Der eine hat mit seiner Mutter telefoniert und als sie auf den Seperatismus zu sprechen kamen hat der Vater mit „nicht am Telefon“ das Gespräch unterbrochen.

Donnerstag waren wir an einem Konzert einer andalusisch-mazedonischen Sängerin, mit Flamenco-Gesang und Balkansound. Schön und emotional. Ich habe mir vorallem vorgestellt wie sich Aufführungen im belagerten Sarajevo angefühlt haben müssen.

Unsere Bank hat uns am Abstimmungssonntag folgendes Video geschickt:

Mittwoch hat sie ihren Sitz nach Alicante verlegt. Donnerstag hat eine weitere Bank ihren Sitz nach Mallorca verlegt, heute scheint’s eine nach Valencia. Wir hatten unser Geld längst in die andere Richtung verlegt … Eine grosse Pharmafirma und die Gas- und Wasserversorgung sind ebenfalls weg gezogen.

Eine Arbeitskollegin von Ste hat, nachdem sie anerkennen musste dass nicht nur die Spanische Propaganda-Presse, sondern die ganze Welt sagt, dass Katalonien nicht automatisch in der EU wäre, gemeint: „Glaubt ihr wirklich, dass unsere Führer nach all den Jahre keine Verträge mit jedem EU-Land haben?“

Ein Arbeitskollege aus Zaragoza hat sich ein Billet nach Hause gekauft, einfach. Er hat nicht mehr ausgehalten keine Meinung haben zu dürfen, ohne von seinen Kolleginnen Nazi genannt zu werden.

Ein Freund von hier, dessen Eltern geheiratet haben, damit sie sich in Francos Gefängnisse Briefe schreiben konnten und der trotzdem kein Separatist ist, der ist bitter enttäuscht über seine separistischen Freunde, die dann doch nicht streiken wollen wenn es kostet (Beamte hatten frei).

Mein Chef hat einem anderen Professoren vorgeworfen, in seinen Ansichten würden die Hälfte fehlen, die keine Unabhängigkeit will. Dieser Antwortete das spiele keine Rolle, die reinen Katalanen wären zu 90% dafür.

Freunde von hier, mit denen ich früher vernünftige Diskussionen führen konnte, grüssen nicht mehr.

Ich habe Franquisten durch unsere Strassen marschieren sehen. Keiner hat etwas gesagt.

Die letzte Stimme der Vernunft sind die undogmatischen Linken (sprich die anarcho-kommunistischen Gewerkschaften). Nur sie kritisieren noch beide Seiten:

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Touristen und Terroristen

September 3, 2017 by

Hier geht langsam das Sommerloch zu Ende. Es war zwar wie immer, aber es fühlte sich schrecklich anders an. Touristen und Terroristen wurden in Barcelona Synonyme. Plakate wie „This is not tourism, this is an invasion!“ gehören zum Stadtbild, wie Graffiti von Touernica und sparatistische Fahnen: schwarzes „Si“ in weissem Kreis auf rotem Grund — ein Schelm wer nichts Böses denkt …

Vorletzten Sonntag haben in Barceloneta „Einheimische“ den Strand mit einer Menschenkette blockiert; notabene nachdem sie sich wohl seit der Strand für die olympischen Spiele aufgeschüttet wurde über alle Guiris, die an diesem dreckigen Strand baden, angeekelt lustig gemacht haben. Vorher war dort ein Slum.

Natürlich reagiert auch unsere Bürgermeisterin, die mir mal grosse Hoffnung gemacht hat: Segways sind jetzt in der Altstadt und am Strand entlang verboten. Ich hab sie ja auch gehasst, vor allem die elektrischen Trottinette, die ziehen Rowdies magisch an, aber ein paar KMUs zerstören wird nun mal Gentrifizierung nicht aufhalten. Genau so wenig wie die Aufforderung zum Bespitzeln der Nachbarn.

Apropos Aktionismus, um das Gebäude wo wir drin arbeiten ist jetzt Rauchverbot. Vorbildfunktion und so. Die Raucher in Labormäntel stehen jetzt viel besser sichtbar an der Strasse und sitzen auf der Treppe. Mol, guet gmacht. Immerhin profitieren die Obdachlosen: Im Innenhof kann man jetzt super pennen.

Zurück zu den Touristen. Leider sehen nicht mal unsere doch sehr gebildeten Freunde den Zusammenhang zwischen dem Anstieg im Tourismus und dem Abstieg im nahen Osten. Nicht mal nachdem sie ihre Ferien von den griechischen Inseln nach England verlegt haben, weil man den Anblick einer Nussschale voller Flüchtlinge seiner Freundin nicht zumuten kann. Andere entfliehen den Touristenströmen nach Bali. Und selbst Freunde die sich progressiv finden, glauben Fliegen sei einfach zu teuer! Denn AirBnB ist schuld.

Dabei mag mag ich eigentlich Touristen besser als Einheimische. Sie bedanken sich wenn man ihnen auf schmalen Strassen ausweicht, sie haben kaum Hunde die unsere Strasse dauerhaft in ein Minenfeld verwandeln und sich in der Nacht von den Balkons aus ankläffen, und sie fahren dann auch nicht mit aufheulenden Motoren und lauter Musik um den Block (und wenn sie es täten, wäre ihr Musikgeschmack höchstwahrscheinlich besser).

Item, vor zwei Wochen fuhren nun richtige Terroristen auf den Ramblas auf. Unsere Bürgermeisterin hielt eine Rede, Barcelona sei eine offene Stadt und alle seien willkommen. Das klang noch ganz anders, als ein paar Jugendliche einen vollen Touristenbus angehalten und verwüstet haben, mehr so wie Trump zum KKK … Offenbar kommen nun doch Poller, aber ich glaube nicht, dass die den Jugendlichen genügend Perspektive gegeben hätten, dass sie diesem Hassprediger nicht auf den Leim gegangen wären …

Immerhin scheint es die Restbevölkerung der Stadt gut weggesteckt zu haben: Ich musste noch keine verschmierten Moscheen sehen und auch keine Kreuzritterfahnen-schwingende Identitäre, die haben sie sofort verjagt 🙂 Unterdessen ist wieder alles beim Alten: in der Zeitung stand wie einzigartig die katalanischen Terroristen sind (denk Crema Catalana), die rechten Separatisten haben die Demonstration gegen Terror genutzt um möglichst viele rechte Separatistenfahnen dem König unter die Nase zu halten, und die linken Separatisten sind fern geblieben, weil der König für alles Böse steht 🙂

Nachtrag: Zum morgigen ersten Schultag (heute ist noch der Nationaltrauertag) hat el Periodico doch noch verlauten lassen, dass die Integrationsklassen der letzten Zehn Jahren der steigenden Ungleichheit wenig entgegensetzen konnten und neue Unterrichtskonzepte diskutiert werden müssen.

Detroit

März 19, 2017 by

Freitag Mittag war die Konferenz vorbei. Xavi und ich haben uns den Rückflug ab Detroit eingerichtet und gingen einen Wagen mieten. Den kleinsten den es gab, einen Toyota Corolla. Die Frau am Schalter wusste nicht wie man in die nächste Grosse Stadt kommt (I live around the corner and don’t get around much), dafür konnte sie uns sagen was unsere Versicherung abdeckt: anything you crash into, but not our vehicle. Als ich nochmal zurück ging um zu fragen was denn S und B an der Schaltautomatik bedeuten hat sie mich nicht mehr erkannt und gemeint P is for park, R for reverse and D for drive.

Wir sind dann ohne S und B nach Waldo gefahren, einem kleinen Dorf das uns die freundlichen Leute vom Institut wegen den Baloney Sandwiches empfohlen haben. Baloney ist phonetisch für Bologna und Bologna ist Lyoner und die Sandwiches sind wie Hamburger, aber statt Hammburger ist eine gut zwei Zentimeter dicke Lyonerscheibe drin. Kaum einen Umweg wert (Xavi fragt sich immer noch was Bologna denen angetan hat dass sie sowas danach benennen), aber die Spunte war herrlich und das Kaff auch. Laut den Öffnungszeiten war zu, also wollten wir in der Garage gleich über die Strasse nachfragen. Das Tor voller NRA-Kleber war auch zu, aber einer hat sehr misstrauisch zum Fenster rausgeäugt. Dann haben die beiden Rednecks sich dahinter aufgestellt, das Tor langsam hochgelassen und „can we help ya?“ Da sei schon offen, wir sollten einfach rein und have a good day 🙂

Wir fuhren weiter Richtung Berlin, dem Zentrum der Amischen Ohios. An den Hauptstrassen sind vorallem kitschige Läden, aber der freundliche Herr der gerade das Kulturzentrum am schliessen war hat uns noch gesagt dass sie hier trotz all dem Schweiz-Kitsch Schwäbisch sprechen und von der grossen Pferdeauktion in Mt. Hope erzählt. Der Käse in Heiri’s Cheeseshop mit Berner Bär auf blauem Grund war nicht wirklich besser nur weil er von Frauen in Röcken mit Haube verkauft wird, aber die Pferdeversteigerung war herrlich. Hauptsächlich Amische, alle gleiche Kutte, gleicher Hut, gleicher „Haarschnitt“ und kaum moderne Technik. Wie im Fernsehen hat einer den aktuellen Preis gesungen während die Pferde in der Mitte vorgeführt wurden. Dazwischen paar gefürchige in Tarnkleidung, die Amischen nennen sie „the English“. Wir haben uns etwas mit einem Amischen in seinem Laden unterhalten, freundliche Leute und stolz dass sie von Reisenden aus so vielen Ländern besucht werden.

Da wir wenig Zeit hatten sind wir Richtung Norden gefahren, um in Bowling Green zu übernachten. Es war saumässig kalt, wir waren sehr müde und haben in einem schmucken Kaffee an der Bar gegessen, als wir plötzlich gemerkt haben dass wir im falschen Bowling Green sind — das Massacker fand in Bowling Green, Kentucky nicht statt. Es hat eine lange Weile gedauert, bis wir uns wieder ohne zu Lachen ansehen konnten …

Am Samstag fuhren wir nach Michigan. Kaum über die Grenze sind die Strassen furchtbar. Wir fuhren direkt ins Henry Ford Museum, eine Mischung aus Nostalgie, Landmaschinen, Dampfmaschinen und vielen, vielen Autos. Die Texte sind vielleicht etwas angestaubt (Our cars, our video games, our frozen food, and our clothes are all impossible without electricity 😉 ), aber Umweltthemen wurden erstaunlich kritisch behandelt. Auch die Arbeitszeiten der Fabrikarbeiter — aber beim Kapitalismus war fertig kritisch.

Auch in Detroit war es saukalt, wir haben den Rest vom Samstag die schwarzen Dodge der Polizei bestaunt und in der Hochbahn Runden gedreht. Wir wollten noch auf ein Konzert oder so, aber die waren alle sehr früh, unsere Geschmäcker könnten kaum verschiedener sein und so sind wir schlussendlich einfach im Motel eingepennt. Das Motel war recht schäbig, fertig freundlich. Dafür war im Erdgeschoss ein tolles Diner wo man nur Frühstücken konnte (teils brauchen sie Worte schon etwas seltsam für uns, den Hauptgerichten sagen sie auch Entrees …), die Pfannkuchen, Rühreier, Rösti (Hash Browns sagen sie dem) und French Toast waren aber das beste was ich drüben gegessen hatte. Ausserdem war die Kundschaft durchmischt. Obwohl Detroit 80% schwarz ist kann man dort ohne Probleme Tage unter Weissen verbringen …

… Zum Beispiel an der St. Patricks Parade, mit Rasenmähern, Bulldog-Verein, Dudelsäcken, irischem Tanz und ganz viel Bier. Dann haben wir bei Whole Foods etwas höhlengereifter Gerierzer gegessen und uns das Heidelberg Projekt angeschaut. Dort hat vor dreissig Jahren ein dreissig jähriger Soldat mit seinem Grossvater und Kindern aus der Nachbarschaft Häuser angemalt als Zeichen gegen den Zerfall. Leider hat der Zerfall dem Projekt auch ziemlich zugesetzt und der Rest soll bald verschwinden.

Wie das Eishockey Stadion, wo wir am Abend die Red Wings gesehen haben. Für das Spiel wurden überall Parkplätze aufgemacht und mit teils absurd unterschiedlichen Preisen angeschrieben. Bei einem haben wir einen fast Zahnlosen gefragt ob es denn realistisch sei noch Tickets zu kriegen und der hat gemeint „yes, they’re loosing“. Wir haben beim Schalter nach Tickets gefragt, die wollten 85 pro Person. Als das Spiel dann langsam los ging haben wir bei einem Händler davor für 60 zwei Karten gekriegt. Und wie waren wirklich loosing, mussten aber auch gegen die Rangers von der Tabellenspitze spielen. Ich musste mir nicht allzu viel ansehen, die Frau neben mir wollte alles über unsere Arbeit wissen, obwohl sie erst gemeint hat darüber würden wir sicher nicht sprechen, als ich gesagt habe dass ich mathematische Biologie mache. War eine überraschend intelligente Unterhaltung, insbesondere über Evolution, was ich eigentlich umschiffen wollte um keine bierseeligen Rednecks zu provozieren 😀 Sie ist überigens extra von Kanada rüber gefahren um das legendäre Stadion nochmal zu sehen 🙂

Wir liessen den Abend in einer Bar bei wüstem Detroit Cheese Steak (Schuhsole mit gelber Masse drauf) ausklingen. Nicht mehr viel war offen, aber diese Bar war ganz sympathisch. Durchmischte Besucher, aber die Angestellten bis auf den Türsteher weiss. Hinten waren ein paar Bowling bahnen. Vorne haben ein paar gesungen und zwar so gut dass wir erst beim rausgehen auf dem Schild gesehen dass da Karaoke-Abend war 😀

Über Nacht ist Schnee gefallen, entsprechend früh und langsam haben wir uns auf den Weg zum Flughafen gemacht. Auf die Frage nach einem Besen um den Wagen vom Schnee zu befreien hat die Frau an der Rezeption ihre Kollegin gefragt ob sie sowas ausleihen und die hat „no“ gesagt, keine weiteren Worte von den Beiden. Zum Abschied hat einer direkt vor seinem Zimmer auf den Parkplatz gekotzt. Am Flughafen hat es eine Strasse mit riesigen Parkplätze um Mietwagen zurück zu geben, inklusive Shuttle-Bus zum Flughafen.

Am Flughaben sind die Weissen wieder weitgehend unter sich. Ich sass im Flugzeug neben einem der wenigen Schwarzen und der wusste nicht wie den Gurt schliessen. Dafür hat er dann mit seiner Frau Schach gespielt. Umsteigen im sommerlichen Miami, der letzte Flug liess auch noch zwei Stunden auf sich warten. Das Essen im Flug (und alles seither) war wunderbar — wie die diesen Frass hinkriegen, obwohl das Bier überall super ist, bleibt mir ein Rätsel …

Columbus, Ohio

März 19, 2017 by

Letzte Woche war ich in Columbus, Ohio an einer Konferenz. Columbus ist die 15. grösste Stadt Amerikas. Columbus Downtown sind ein paar Hochhäuser an einem Fluss, darum paar Parkhäuser und immense Parkplätze und dann jede Menge nach aussen grösser werdende Häuser.

Da es in Amerika kaum Fussgänger gibt, grüsst man sich auf der Strasse. Und auch im Haus wo ich gewohnt habe, aber erst nachdem man sich auf dem Flur versteckt hat, um zu sehen ob der Bärtige die Türe auch selber aufmachen kann und obwohl ich den Code kannte, puddelnass war und trotz einem riesigen Luftsprung vor Schreck nicht davon gerannt bin wollte die Dame noch wissen wer ich denn sei … Zu dem Auftritt kam es übrigens wegen Fahrrad-Sharing, geht in Columbus einfach mit Kreditkarte und ich hab mir einen schlechten Mittag für die Stadtrundfahrt ausgesucht. Die Fahrt ging einem Radweg zwischen Fluss und Autobahn bis zum German Village runter, einem Quartier mit Kopfsteinpflaster. Deutscher Einfluss ist auch sonst sichtbar, es gibt zum Beispiel eine Schreinerei (genau so geschrieben) und eine Familie Bumgarner.

Ansonsten scheint mir Columbus vorallem eine Universitätsstadt zu sein. Auf dem riesigen Campus gibt es sogar ein Comic-Museum inklusive Lesesaal mit super Sammlung. Im Moment war unter anderem Bill Waterson ausgestellt, die Striche leben original nochmal viel mehr und die Farben sind wunderschön. Daneben eine Kooperation von zum Tode Verurteilten, einer SRF Journalistin und ihrem Mann über die Todesstrafe — und ich habe nach der Warnung für Kinder nur an Brüste gedacht … Ähnlich schlecht mit meinen Vorurteilen haben sich übrigens auch die ganzen Regenbogen-Fahnen vor den Kirchen vertragen 🙂

Ausserdem sind die Studierenden politisch ziemlich aktiv, es waren gerade Wahlen und Abstimmungen. Eine Frage betraf Investitionen der Universität in Firmen die mit Israel geschäften und jüdische Studierende fürchten um die Stipendien dieser Firmen und einen anstieg von anti-semitischen Übergriffen. Eine Professorin hat erzählt wie ihre Uni zunehmend kommerzialsiert wird, sie muss sogar ihr Laborraum mieten. Das hat aber auch den Vorteil dass sich die Administration als Service ansieht, während sie in Europe denken sie wären die einzigen die überhaupt etwas arbeiten an den ganzen Unis weil nur sie um acht Uhr morgens anfangen …

Item, wir wurden jeden Morgen im gelben Schulbus auf den Campus raus gefahren. Dort gab es Frühstück, meist Eier-Käse-Wurst-Geköche aus Einweggeschirr, hat immer genau gleich gerochen und geschmeckt, dafür locker den ganzen Tag hingehalten. Der Workshop war interessant, vorallem die Vorträge von Experimentierenden. Auf der theoretischen Seite war die Oxford-Gang etwas übervertreten und die kommen nicht so recht voran weil sie sich nicht die Hände mit Biologie schmutzig machen wollen …